Kassettl

"Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche." - Gustav Mahler

Wenn Frauen im Unterinntal ihre Festtracht, das Kassettl, anziehen, ist so manches Stück bis zu 150 Jahre alt. Von Generation zu Generation werden die kostbaren Kleider, die dazugehörigen Hüte und Schmuckstücke weitervererbt.

Junge Frauen kamen durch ihre Hochzeit in den Besitz des Kassettls. Es wurde zum Festgewand, das sie ein Leben lang begleitete. Heute hat sich das Kassettl emanzipiert, eine moderne Frau kann sich das Kassettl
selbst leisten. Früher wäre das nicht denkbar gewesen. Immernoch wird es mit natürlichem Stolz getragen. Im dörflichen Ansehen ist das Kassettl an vorderster Reihe platziert. Das traditionelle Kassettl für festliche Anlässe ist wieder zeitgemäß. Man bekennt sich zur eigenen Kultur, entflieht der Schnelllebigkeit und hält am Beständigen fest. Kleidung verbindet und Frauen fühlen sich in der Gruppe geborgen. Es sind vor allem kirchliche Festtage, Prozessionen, Hochzeiten und Beerdigungen, bei denen das Kassettl getragen wird.

Das Kassettl

Das Kassettl wird aus feinster schwarzer Schurwolle gefertigt. Der Name leitet sich vermutlich von „Kassette“, sprich einem rechteckigen Ausschnitt ab. Eine weitere Theorie besagt, dass sich der Name von „Korsett“ ableitet. Das Kleidungsstück wird mit prachtvollen Stickereien in Samt und Seide in Blumenornamenten und Perlen bestickt und mit Possamentrieborten verziert.

Der Rock

Der Rock besteht aus dem selben Stoff wie das Oberteil. Er wird handgereiht oder gesmokt. Bei sehr aufwändigen Kassetteln wiederholt sich die Stickerei am Rock. Aus der festlichen Hierarchie geht hervor, dass der Rock sehr lang getragen wird, circa knöchellang. Passend zum Festgewand werden elegante geschlossene schwarze Lederschuhe mit schwarzen Strümpfen getragen.

Der Ärmel

Den Ärmel schmückt eine feine Smokarbeit oder er ist glatt und gestickt. In halber Höhe des Oberarmes ist der Ärmel in leichte Falten gelegt, sodass der Ärmel am Ellbogen leicht gebauscht und zum Handgelenk schlank zuläuft. Am Handgelenk befindet sich ebenfalls eine Stickerei. Der Smokarm ist eine sehr zeitintensive Handarbeit, man spricht von 15 Stunden pro Ärmel.

Das Kassettltuch

Auch das Kassettltuch ist eine Kostbarkeit für sich. Es besteht aus feiner Seide und wird mit kunstvollen Handstickereien, ähnlich der Klosterarbeit verziert. Dazu verwendet man echt vergoldeten Bouillion, Goldfäden, Perlen und Strasssteine von Swarovski. Bei Hochzeiten und kirchlichen Festtagen wählt die Trägerin das weiße, bei Beerdigungen das schwarze Seidentuch.

Die Kropfkette

Ohne die breite Kropfkette mit dem prächtigen Mittelstück ist das Kassettl nicht komplett. Die Schmuckstücke sind oft bis zu 150 Jahre alt oder noch älter. Die Kropfkette wird entweder in der Familie oder am Hof weitergegeben. An der Anzahl der Ketten konnte man früher den Reichtum der Bäuerin erkennen. Heutzutage steht der persönliche Geschmack im Vordergrund.

Die Haarspange und die Kette

In früheren Zeiten, als ein Großteil der Frauen die Haare sehr lang trug und zu einem Dutt flochte, wurde der Haarkranz mit einer kostbaren Spange befestigt. Die Frisuren änderten sich im laufe der Zeit, die Haarspange wird aber auch heute noch gerne getragen. Historisch passend zum Kassettl ist die Uhrkette. Die Uhr am Ende der Kette wird rechts in den Ausschnitt gesteckt.

Der Kassettlbeutel

Der Kassettlbeutel wird passend zum Kassettl bestickt. Wünschenswert ist auch hier ein Unikat nach persönlichem Geschmack der Trägerin. Schwarzer Samt oder Wollstoff, Seiden- oder Goldstickereien, Borten, Kordeln, Messingringe, schlicht oder pompös, alles ist erlaubt.

Der Kassettlhut

Der Kassettlhut hat eine gerade Zylinderform aus schwarzem Seidenfilz und ist goldverziert. Besonders kostbar sind die beiden rechts platzierten Goldquasten. Auf der Unterseite des Hutes befindet sich eine filigrane Goldstickerei. Die Samtbänder sind bestickt und am Nacken zu einer Schleife genäht. Sie sollen 15 Zentimeter über dem Rocksaum enden. Nur Verheiratete tragen den Hut.

Die Kassettlschürze

Die Kassettlschürze ist aus einem großblumigen Seidenbrokat gefertigt. Der Spalt hinten sollte die Breite der Hutbänder haben. Die Farbe der Schürzen ist leicht zu verstehen. Weiß zur Hochzeit, schwarz zur Beerdigung und dazwischen „ist das Leben“. Das heißt, hier sind alle Farben erlaubt. Besonderen Wert legt man darauf, dass die Farbe mit der Trägerin harmoniert.


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