Presseberichte

Die Unterinntaler Tracht

Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden die erneuerten Trachten unter der Doyenne des Trachtenwesens in Tirol, Gertrud Pesendorfer. Teile der Tracht wurden überliefert und Teile neu erfunden. In Kufstein fanden circa 1955 die ersten Trachtennähkurse statt. Die Unterinntaler Tracht erlebte einen komplett neuen Aufschwung. Das Buch „Lebendige Tracht in Tirol“ gilt bis heute als das Nachschlagewerk für die Tiroler Trachten.

Eine weiße Bluse mit Dreiviertelarm als Schiebeärmel bis über den Ellbogen geschoben, leichtes Dekolleté angepasst an den Miederausschnitt und Schmuck waren komplett neu. Ein straff sitzendes Mieder bis zur
Taille geschnürt, entwickelte sich aus dieser Zeit. Haut hatte man früher nicht gezeigt, auch die Arme waren bedeckt. Es ist Frau Gertrud Pesendorfer zu verdanken, dass eine leichte Erotisierung in die Tracht hineingebracht wurde, Man zeigte erstmals Figur. Dem Tiroler Heimatwerk, der Landwirtschaftskammer und den fachkundigen SchneiderInnen ist es zu verdanken, dass die Tracht bis heute zu den festlichsten Kleidungsstücken einer Frau gehört. 

Durch ständige Weiterentwicklung der Farben, Musterungen und Stoffqualitäten hat sich die traditionelle mit der heutigen Schneiderkunst vereint und lässt Frauen allen Alters in ihrer Tracht attraktiv erscheinen. Die untrennbare Botschaft der Tracht ist der Ausdruck einer anmutigen, glückhaften und heimatlichen Zugehörigkeit in Dorf und Familie. Dadurch ist der Weiterbestand der Tracht gesichert.

Die Miederfarbe

Roter, blauer oder grüner Woll- oder Seidenbrokat, in sich gemustert oder mit ein- oder zweifärbigen Muster durchwebt, werden für das Mieder verwendet. Es kann aber auch ein einfärbiger Seiden- oder Wollstoff in
sorgfältiger Ausführung mit der Hand bestickt werden.

Die Schürzenfarbe

Die rote Tracht wird durch eine blaue Woll- oder Seidenschürze ergänzt. Beim blauen und grünen Mieder kann sich die Trägerin zwischen einer hellen Seiden- oder Handdruckschürze entscheiden. Wichtig ist, dass die Schürze harmonisch zum Mieder und zur Trägerin abgestimmt ist. Allen Vorgaben zum trotz, soll sich die Trägerin rundum wohlfühlen.

Der Lebensbaum

Lebensbäume galten früher als Glückssymbol für ein langes Leben. Den Rücken der Unterinntaler Tracht schmückt ein aufgenähter Lebensbaum. Dazu verwendet man Börtchen oder schwarze Samtbänder, an deren Außenkante ein Goldfaden, bezeichnet als Goldschatten, niedergenäht wird. Für die Unterinntaler Tracht gibt es vier verschiedene Baummotive.

Der Brustlatz

Farbige Blüten- und Lebensbaummotive spiegeln sich am Brustlatz der Unterinntaler Tracht wider. Früher fand man ihn auf Kleidung, Glas und Holz. Oft befand sich als Ausgangspunkt des Lebensbaumes ein Herz
oder Korb mit Samen. Daraus wuchsen wieder Blüten als Symbol für ein ewiges Leben : Ein Zeichen der Sippe die niemals aussterben soll.

Das Börtl

Der Ausschnitt der Unterinntaler Tracht wird parallel zum Passepoil mit einem farblich abgestimmten Börtl verziert. Modifizieren lässt sich das Börtl mit Perlen, Strass oder Goldfäden. Im Anschluss befinden sich die goldenen Schnürhaken. Die Unterinntaler Tracht ist eine Schnürtracht und wird ausschließlich mit einem Schnürband geschlossen.

Der Passepoil

Die Abschlusskanten sind mit dazu passendem Stoff oder schwarzem Samt oder Seide passepoiliert. Der Paspel ist eine Schmucknaht, welche die Kontur und den Schnitt der Tracht betont. Er dient als Verstärkungsstreifen und schont das Mieder vor Scheuerung. Somit ist eine Langlebigkeit gewährleistet.

Der Plisseerock

Der schwarze Rockstoff ist eine leichte Wollmischung (Fresko). Man verwendet vier Bahnen Stoff, welche mittels Hitze plissiert werden. Dadurch entstehen dauerhafte Falten. Der Plisseerock ist zwar in der Anschaffung teurer, fällt sehr schön und schwingt beim Tanzen beträchtlich.

Der handgereihte Rock

Der schwarze Wollrock wird von Hand in gleichmäßige Stehfalten von fünf bis sieben Reihen gezogen. Dadurch entsteht ein unverkennbares Merkmal einer Originaltracht mit guter Verarbeitung. Am Kittelsaum scheint ein schmaler roter Vorstoß hervor.

Die Spitze

Für eine schöne originale Trachtenbluse verwendet man Maschin- oder Handklöppelspitzen. Es dürfen auch Häkelspitzen verwendet werden. Handklöppelspitzen werden in einer filigranen Handarbeit gefertigt. Unter Kennern ist die Handklöppelspitze obligat für eine Trachtenbluse.

Der Stoff

Die Blusen werden in Reinleinen, Halbleinen oder Baumwolle gefertigt. Neuerdings ist bügelfreie Baumwolle sehr gefragt. Rustikale Stoffe werden kaum mehr verwendet. Der Trend geht in Richtung Eleganz.
Blusenleinenstoffe finden heute leider weniger Akzeptanz. Hochwertiges Leinen knittert edel, wird jedoch nur mehr von wenigen Trachtenträgerinnen geschätzt.

Volkstracht

Aus dem Buch Brauch und Tracht in Österreich „Die Volkstracht“

Was sich in der Kirche und auf dem Tanzboden zu einer Gemeinde zusammenfand, denn was im Bereiche des einen dörfischen Glockenlautes hinter dem Pflug ging und aus der Furche erntete, was sich unter einer Sturmfahne oder Prozessionsfahne scharte, was der selben Gnade teilhaftig war und dieselbe Not litt, musste es nicht endlich auch das gleiche Kleid gebrauchen. Auf solche Weise entstand die Tracht. Tracht kommt von Tragen. Und in diesem schwerem, selbstbewussten Worte von Tragen drückt sich ein edler Stolz aus; denn es ist anders, ist mehr als nur ein Kleiden, die Tracht ist nicht nur ein Gewand, bestimmt eine Blöße zu verdecken, nicht nur ein Staat, in dem der Mensch dem lieben Herrgott eine Ehre erweise und für seinesgleichen wohlgefällig erscheine. Die Tracht ist auch ein äußerliches Bekenntnis zur Gemeinschaft, ein Zeugnis der Verwandtschaft, erzeugt aus vielen Stoffen und Dingen, die dem bäuerlichen Menschen zur Hand sind und ihn zum Gebrauch drängen mussten, ihn, vor dessen Augen die katholische Kirche den wunderbaren Prunk der Gewänder entfaltete, die sich mit jeder heiligen Handlung ändern. So schuf sich das ländliche Leben seine Gewandung, gewissermaßen eine Uniform, jede Landschaft nach dem Klang ihres Herzens, nach dem Sinn ihrer Leute ein anderes Kleid; sie ähnelten oft einander kaum, oh die kindliche Seele des Volkes ist unerschöpflich, wenn ihr eine sinnvolle Aufgabe
gegeben wird. So trennte sich Tal von Tal, Dorf von Dorf, sie überboten einander, um gesondert zu sein allein schon durch den Anblick, nicht erst durch den Namen. Denn am Anfang war der Stolz und de kindhafte Freude, einander den Rang abzunehmen. Aber dann lehrten die ländlichen Leute noch ein anderes Mann und Weib konnten nicht in einem nüchternen Gewande das geheimnisvolle Bauernjahr durchwandeln, das (auch von mystischen Urmächten leise unterströmt) den Menschen, der ihm in Dutzenden Zeremonien huldigte und seiner Erde treuer und keuscher ergeben war als der Städter dem Stein seiner Häuser, durch sein Kleid in den bäuerlichen Bezirk absonderte. (Scherer, Perkonig 1937 S.9)